Neue Biotechnologien und Tierschutz

Prof. Dr. Claus-Heinrich Stier, Fachhochschule Bingen

Der Einsatz von Biotechnologie ist in der landwirtschaftlichen Nutztierhaltung nichts Neues. Künstliche Besamung und Embryotransfer beispielsweise haben sich in der Züchtung längst fest etablieren können, zumindest bei den wichtigen Tierarten. Infolge der immensen Fortschritte in Fortpflanzungsbiologie und Molekulargenetik stehen jedoch weitere Technologien vor der Praxisreife oder haben diese bereits erreicht. Auch bei ihnen ist es wesentliche Zielsetzung, den genetischen Fortschritt zu beschleunigen. Wie sieht es jedoch mit dem Tierschutz aus?

Für die Nutztierhaltung, vor allem beim Rind, sind folgende Anwendungsbereiche interessant:

– Die Gewinnung von Eizellen von lebenden Tieren mit Hilfe der ultraschallgeleiteten Follikelpunktion und deren anschließende Befruchtung „im Reagenzglas“ (Ovum pick up / In vitro-Fertilisation). Die Gewinnung der Eizellen ist ein kleiner Eingriff mit örtlicher Betäubung, der zu keinen Belastungen der Tiere führt. Aus Sicht des Tierschutzes problematischer sind das häufig beobachtete Auftreten erhöhter Geburtsgewichte der erzeugten Kälber und die daraus resultierenden Schwergeburten. Aktuelle Forschungsergebnisse lassen allerdings darauf schließen, dass diese Probleme mit Hilfe verbesserter Kulturmedien bei der Entwicklung der Embryonen gelöst sein dürften.

– Die Teilung von Embryonen in frühen Entwicklungsstadien zur Erzeugung eineiiger Zwillinge (Embryosplitting). Die mikrochirurgische Teilung ist heute eine praxisreife Technik im Rahmen des Embryotransfers. Nachteilige Auswirkungen auf Föten oder lebende Tiere sind nicht bekannt.

– Das Übertragen von Spenderzellen in entkernte Eizellen zur Erstellung größerer Gruppen genetisch weitgehend identischer Tiere (Klonen). Abgesehen von ethischen Vorbehalten ist das Klonen von Säugetieren noch mit einer ganzen Reihe von technischen Problemen behaftet. Die bisherigen Versuche haben eine hohe Zahl an Tot-, Früh- und Missgeburten hervorgebracht, die auf Störungen der Steuerung entwicklungsrelevanter Gene zurückgeführt werden. Beim jetzigen Stand der Technik sind erhebliche Belastungen für die erzeugten Tiere nicht auszuschließen.

– Der gentechnische Nachweis von Erbfehlern sowie die Beurteilung leistungswichtiger Gene auf unmittelbarer Ebene der DNA (Gendiagnostik und Markergestützte Selektion). Diesen Verfahren ist gemeinsam, dass keine Gene „manipuliert“, sondern Tiere mit unerwünschten bzw. erwünschten Anlagen besser erkannt und entsprechend selektiert werden. Durch Untersuchung, ob beispielsweise eine Veranlagung für genetische Defekte vorliegt, lässt sich letztlich die Geburt kranker und leidender Tiere reduzieren.

– Die Übertragung von Genkonstrukten in fremde Arten zur Neu-Einführung, Veränderung oder Unterdrückung spezifischer Eigenschaften (Gentransfer). Konkret geht es um die Erstellung von Tieren, in deren Erbgut ein neues Gen stabil integriert wurde, und die dieses Gen an ihre Nachkommen vererben. Nach wie vor sind die bei Haustieren in Erprobung stehenden Übertragungsmethoden jedoch wenig effizient, technisch zu aufwendig und mit zahlreichen offenen Fragen zu den (auch die Gesundheit betreffenden) Nebenwirkungen behaftet.

Die genaue Betrachtung von Entwicklungsstand und Anwendungsspektrum der neuen Technologien ergibt ein sehr differenziertes Bild. Mehrere von ihnen, wenn auch nicht alle, haben das Potential, die Zucht- und Produktionsmaßnahmen bei Haustieren wertvoll zu ergänzen. Dabei sollte ihr Einsatz unter Beachtung der Verbraucherakzeptanz sowie der zu erwartenden Auswirkungen auf die Zucht- und Produktionsstrukturen erfolgen. Ein ebenso großes Augenmerk verdient allerdings der Tierschutz. Zu den Aufgaben einer Hochschule mit Lehrangebot im Bereich Agrarwirtschaft gehört es, die Weiterentwicklung der neuen Biotechnologien zum Nutzen der landwirtschaftlichen Tierhaltung zu unterstützen. Dies beinhaltet auch die Sensibilisierung zukünftiger Anwender für die Belange der Tiere.

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