Wie gehen wir mit unseren Tieren um?

Gastbeitrag in der Rhein-Zeitung – von Dr. Helmut Stadtfeld

Seit dem 1. August 2002, also seit genau einem Jahr, ist der Tierschutz als Staatsziel im Grundgesetz verankert, für Tierschützer ein echter Etappensieg. Die „Erfolgsbilanz“ dieses einen Jahres nimmt sich jedoch eher bescheiden aus.

Nach wie vor werden unzählige Nutztiere unter völlig unzureichenden Bedingungen gehalten, weil verbindliche Mindestnormen fehlen oder nicht umgesetzt werden. So vegetieren zahllose Mastputen und -enten auf engstem Raum und werden durch Kürzen des Oberschnabels daran gehindert, sich gegenseitig den Garaus zu machen. Der amerikanische Nerz oder Mink, dessen Lebenselement das Wasser ist, wird als Pelzlieferant in Drahtkäfigen gehalten und mit Brei gefüttert, ehe er schließlich, durchaus nicht immer schmerzlos, mit Gas oder Giftspritze getötet wird.

Millionen von männlichen Ferkeln werden Jahr für Jahr in Deutschland ohne Betäubung kastriert, obwohl es längst schmerzlose Alternativen gibt. Wie die kleinen Eber die Entfernung ihrer Hoden so erleben Rinder und Schafe, die nach islamischem oder mosaischem Ritus geschachtet werden, das Durchschneiden der Kehle – bei vollem Bewusstsein. Auch nach der Grundgesetzänderung, für die sich gerade wegen des Themas Schächten eine politische Mehrheit fand, bleibt der Schächtschnitt erlaubt, sofern ein zwingender religiöser Grund nachgewiesen werden kann.

Tierversuche stehen vor einem Boom, da die EU-Kommission ein Testprogramm für rund 30 000 „alte“, also vor 1981 auf den Markt gekommene, Chemikalien plant. Mindestens zwölf Millionen Tiere werden hierfür leiden und sterben müssen, zusätzlich zu den zahlreichen Wirbeltieren, alleine zirka 2,1 Millionen in Deutschland, die derzeit jährlich in Versuchen „verbraucht“ werden.

Im Bereich Heim- und Hobbytiere, wegen der oftmals fehlenden Sachkenntnis der „Tierliebhaber“ ohnehin problematisch, ist seit Jahren ein Trend zu exotischen Tieren zu beobachten. Tausende von Krokodilen, Giftschlangen und Waranen bevölkern bereits deutsche Wohnzimmer – auch hier wäre der Gesetzgeber gefordert.

Die Liste bestehender Defizite ließe sich noch fortsetzen. Wenn es auch Lichtblicke gibt, etwa das vom Jahr 2007 an geltende Verbot der Käfighaltung von Legehennen in Deutschland, so ist es doch höchste Zeit, die Position des Tierschutzes im Sinne der Staatszielbestimmung nachhaltig zu stärken.

Ein geeignetes Instrument hierzu wäre eine Klagebefugnis für anerkannte Verbände, wie sie im Naturschutzrecht seit vielen Jahren verankert ist. Durch die Einführung der Verbandsklage könnte das Ungleichgewicht etwas abgemildert werden, wie es derzeit noch zu Ungunsten des Tierschutzes besteht. Zum Beispiel: Ein Tierexperimentator, der für seine Grundlagenforschung einen grausamen Versuch an Affen plant, kann den Klageweg beschreiten, wenn ihm die Genehmigung hierzu versagt wird. Im umgekehrten Fall, also wenn der Versuch genehmigt werden soll, kann niemand im Interesse der Affen klagen.

Also: Es gibt einen Rechtsweg für weniger, aber keinen für mehr Tierschutz. Die Einführung des Verbandsklagerechts setzt voraus, dass ein Anerkennungsverfahren für überregional tätige Tierschutzorganisationen etabliert wird und die Klagemöglichkeiten exakt definiert werden. Zu denken wäre hierbei insbesondere an die so genannte Normenkontrollklage, mit der die Rechtsmäßigkeit von Rechtsnormen auf den Prüfstand gestellt wird, sowie die Klage im Genehmigungs- beziehungsweise Erlaubnisverfahren, insbesondere Genehmigung eines Tierversuchs, Genehmigung zum Schächten oder Erlaubnis zur gewerbsmäßigen Tätigkeit mit Tieren, zum Beispiel Zoohandel oder Versuchstierzucht.

Eine Klageflut, wie sie vor der Einführung der Naturschutz-Verbandsklage heraufbeschworen wurde, ist dort ausgeblieben und auch für den Sektor Tierschutz nicht zu erwarten, zumal die Verbände bei erfolgloser Klage die Kosten zu tragen hätten. Die Einführung der Verbandsklage ist landes- wie auch bundesrechtlich möglich. Einer in ganz Deutschland geltenden Regelung wäre zweifellos der Vorzug zu geben.

Natürlich löst das Instrument der Verbandsklage nicht alle Probleme im Tierschutz. Um den Tieren zu dem Schutz zu verhelfen, der ihnen laut Verfassung zusteht, bedarf es vor allem der Weiterentwicklung unseres Bewusstseins. Tiere sind ebenso ein Teil der Schöpfung wie wir selbst. Wir müssen begreifen, dass ihre Belange nicht automatisch dort enden, wo unsere wirtschaftlichen Interessen, unser Forscherdrang oder unsere Konsumgewohnheiten tangiert sein könnten.

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